TWI: Bruchzähigkeit

Webinar: Hauptkonzepte und Normen zur Bruchzähigkeitsuntersuchung


Normen zur Bruchzähigkeitsuntersuchung

1:17 h© TWI Ltd, 8. Juli 2020

In diesem Mitschnitt eines etwa 1¼ Stunden langen englischsprachigen Webinars vom 7. Juli 2020 geben Dr. Philippa Moore und Matthew Haslett vom TWI einen Überblick über die acht Hauptkonzepte und die Normen zur Bruch­zähigkeits­unter­su­chung.


Willkommen am TWI (0:12)

  • TWI bietet Dienstleistungen zur Fügetechnik, Materialprüfung, Inspektion, Werkstofftechnik, Korrosion und Strukturintegrität.
  • Forschung und Entwicklung, Innovationen, Beratung sowie Schulung und Zertifizierung bilden die Schwerpunkte
  • Neben der Hauptniederlassung in Cambridge gibt es drei Zweigstellen in Großbritannien mit unterschiedlichen Forschungsaktivitäten und 14 Schulungszentren weltweit.
  • Die wichtigsten Zahlen im Überblick:
    • TWI wurde 1946 gegründet
    • TWI hat über 600 industrielle Mitglieder
    • TWI hat über 500 Ingenieur und Techniker
    • TWI machte 2018 einen Umsatz von 80 Mio € (72 Mio £)
    • TWI betreibt 12 Innovationszentren für NSIRC-Studenten

Unterstützung auf allen Ebenen (1:05)

  • TWI unterstützt seine Mitglieder in allen Ebenen des Produktlebenslaufs
    • Technische Anfragen
    • Auftrags-Forschungs- und -Entwicklungsdienstleistungen
    • Grundlagenforschungsprogramm
    • Öffentlich geförderte Initiativen
    • Zertifizierte und individuell abgestimmte Schulungen
    • Professionelle Mitgliedschaft

Was ist Bruchzähigkeit? (2:26)

  • Bruchzähigkeit ist die Widerstandsfähigkeit eines Werkstoffs gegen Belastung
  • Ein Prüfstück mit einer riss-ähnlichen Nut wird unter zunehmender Last untersucht, wobei die Längenzunahme quer zur Nut gemessen wird
  • Durch die Ermittlung des Instabilitäts-Bruchpunkts (oder der maximalen Belastung) kann die Bruchzähigkeit ermittelt werden
  • Normen definieren die Abmaße der Prüfstücke, die Testmethoden und die Berechnung der Bruchzähigkeitsparameter   

Ein Rückblick auf TWIs Erfahrung (3:07)

  • Allan Wells erfand das CTOD-Konzept (crack tip opening displacement) in den 1960er Jahren an der Britisch Welding Research Organisation, der Vorgängerorganisation des TWI
  • Er zeigte auch, dass CTOD in einer Biegeprobe auf eine Struktur angewandt werden kann
  • Die CTOD-Gleichung und erste Prüf-Normen wurden in den 1970er Jahren von Mike Dawes entwickelt
  • Bruchzähigkeitsuntersuchungen für Schweißnähte wrden von Dr. Henryk Pisarski entwickelt
  • Der Bruchzähigkeits-Erfahrungsschatz wird heute über Doktorarbeiten, Normungsaktivitäten und Projektarbeit aufgefrischt, so dass TWI weiterhin eine Führungsrolle bei der Bruchzähigkeitsuntersuchung einnimmt

Das TWI-Team (4:59)

  • Dr. Philippa Moore
  • Matthew Haslett

Konzepte der Bruchzähigkeitsuntersuchung (6:46)

Die folgenden, acht Konzepte spielen eine Schlüsselrolle bei der Bruchzähigkeitsuntersuchung:

   

Hauptkonzept Nr. 1: Die drei Faktoren des Sprödbruchs (7:18)

  • Sprödbruch ist schnell, instabil und katastrophisch
  • Er benötigt eine kritische Kombination von Ursachen:
    • Scharfer Riss
    • Aufgebrachte Last (das kann auch die Resteigenspannung sein)
    • Niedrige Zähigkeit

Hauptkonzept Nr. 2: Das Gleichgewicht von rissfördernder Kraft und Bruchzähigkeit (8:10)

  • Brüche entstehen, wenn die rissfördernde Kraft (Last, Risslänge, Geometrie) die Widerstandsfähigkeit (Bruchzähigkeit) des Werkstoffs übersteigt 
  • Bei einem Prüfstück wird die Bruchzähigkeit durch die Prüfstückeigenschaften und der Belastung am Punkt des instabilen Versagens

Hauptkonzept Nr. 3: Es geht vor allem um die Riss-Spitze (9:23)

  • Die lokalen Bedingungen in der Nähe der Riss-Spitze bestimmen das Bruchverhalten von Werkstücken:
    • Die lokalen Eigenspannungen sind hoch
    • Es gibt lokale spröde Zonen in Schweißungen und dem Mikro-Gefüge
    • Ein Riss verursacht die Kerbwirkung, was dazu führt, dass die lokale Belastung sehr viel höher als die global aufgebrachte Belastung ist
    • Der Belastungsintensitätsfaktor K charakterisiert die Amplitude des Riss-Spitzen-Belastungsfelds
Belastungsintensitätsfaktor ist gleich Geometriefunktion mal Spannung mal Wurzel aus (Pi mal Risslänge)
Belastungsintensitätsfaktor = Geometriefunktion mal Spannung mal Wurzel aus (Pi mal Risslänge)

Hauptkonzept Nr. 4: Übertragung des Bruchverhaltens von Mustern auf Bauteile (11:16)

  • Der Belastungsintensitätsfaktor K von einer Geometrie, z.B. in einem Prüfmuster, kann auf eine andere Geometrie, z.B. von einem Bauteil oder eine Struktur, übertragen werden
  • Am TWI kann ein Bruchstück des John-Thompson-Druckbehälters, der in den 1960er Jahren explodierte, besichtigt werden

Hauptkonzept Nr. 5: Die plastische Zone an der Riss-Spitze (12:48)

  • In manchen Metallen gibt es eine plastische Zone an der Riss-Spitze
    • Kleine plastische Zone → Niedrige Zähigkeit / spröde → verwende K
    • Große plastische Zone → Hohe Zähigkeit / duktil → verwende CTOD oder J
    • Addiere die elastische Komponente und die plastische Komponente von CTOD oder J zusammen
  • In duktilen Werkstoffen kommt es zu stabilem Rissfortschrittsverhalten (duktiles Reißen)
    • Die plastische Zone kommt zum Stillstand und die Riss-Spitze bewegt sich vorwärts
    • Charakterisiere das Verhalten mit einer Risswiderstandskurve (R-Kurve)

Hauptkonzept Nr. 6: Der Spröd-duktil-Übergang (16:35)

  • Für die Kurve des Spröd-duktil-Übergangs wird die Bruchzähigkeit (auf der y-Achse) in Abhängigkeit von der Temperatur (auf der x-Achse) aufgetragen, woraufhin eine untere Zone, eine Übergangszone und eine obere Zone unterschieden werden können.
  • Die Übergangszone kann ziemlich steil sein, d.h. bis das Bauteil auf eine gewisse Temperatur abgekühlt wird, ist es ausreichend zäh, aber darunter versagt es katastrophisch
  • Deshalb müssen die Bruchzähigkeitsuntersuchungen bei der tiefsten, im Betrieb möglicherweise vorkommenden Temperatur durchgeführt werden

Hauptkonzept Nr. 7: Der Wanddicken-Einfluss (17:45)

  • Die Verformungsbeschränkungen in der Mitte einer dicken Platte unterdrücken die volle Duktilität der plastischen Zone an der Riss-Spitze
  • Die kleinere plastische Zone führt dazu, dass der Riss in einer spröderen Weise fortschreitet
  • Eine dickere Platte aus dem gleichen Material hat eine kleinere Bruchzähigkeit als eine dünnere Platte
  • Daher muss die dickste in der Struktur vorkommenden Platten auf Bruchzähigkeit getestet werden 

Hauptkonzept Nr. 8: Unterschiedliche Bruchparameter (19:31)

  • Die Bruchzähigkeit hängt von folgenden Faktoren ab:
    • K -  belastungsabhängig
    • CTOD (δ) - dehnungsabhängig
    • J - energieabhängig

Bruchzähigkeitsuntersuchungen (21:21)

  • Ermittle den Widerstand gegenüber der Initiierung des Rissfortschritts (in spröder und/oder duktiler Weise)
  • Ermittelt in Form von K, CTOD oder J
  • Einzelpunkt oder Risswiderstandskurve
  • Das Prüfmuster hat die volle Wandstärke mit einer scharfen Nut als Anriss-Kerbe
  • Untersuchung bei der niedrigsten Temperatur

Richtlinien und Normen zur Bruchzähigkeits-Untersuchung (22:31)

Der Hauptteil dieses Webinars befasst sich, wie folgt, mit den Richtlinien und Normen zur Bruchzähigkeitsuntersuchung:

   

Der Zweck von Untersuchungsnormen (22:38)

  • Gewährleiste eine wiederholbare und zuverlässige Testmethode
  • Definiere die Bruchzähigkeit am Ausgangspunkt des Risses
    • Spaltbruch oder Sprödbruch (in ferritischen Stählen) oder instabiler Bruch
    • Initiierung des duktilen Rissfortschritts (Reißen)
    • Zähigkeit unter maximaler Last
    • Definiere eine Risswiderstandskurve (R-Kurve, resistance curve)
  • Anwendungsspezifische Normen (wie z.B. DNV-GL-Normen von De Norske Veritas und Germanischer Lloyd im Schiffbau und in der Öl- und Gasindustrie) bieten für den Anwendungsfall maßgeschneiderte Testmethoden für spezielle Anwendungsfälle wie z.B. eine Pipeline oder eine Ölbohrinsel auf Grundlage der allgemeinen Testmethoden
    • Sie können spezifisch angepasst sein und gewisse Annahmen zum Zweck der Untersuchung treffen, aber sie setzen ähnliche Methoden wie die Normen ein.

Was Untersuchungsnormen nicht können… (24:02)

  • Die Untersuchungsnorm sagt nicht, ob es die richtige Norm für Ihre speziellen Anforderungen ist!
  • Sie sagt normalerweise nicht, wie viele Untersuchungen durchgeführt werden müssen, und bei welcher Temperatur!
  • Sie garantiert nicht, dass ein spezieller Bruchzähigkeitswert erreicht werden kann!
  • Sie macht keine Aussage darüber, wie die erhaltenen Ergebnisse ausgelegt und genutzt werden können!

Sie benötigen Erfahrung und Sachverstand, um die richtige Norm auszusuchen und die Ergebnisse zu interpretieren - fragen Sie im Zweifelsfall das TWI 

   

Prüfmuster-Arten (26:29)

  • SENB-Muster (Single edge notched bend  specimen)
  • CT-Muster (Compact tension specimen)
    • Prüfen Sie bei CT-Mustern, ob es geeignete Gabelkopfbolzen (clevice pins) für die Untersuchung gibt
  • SENT-Muster (Single edge notched tension specimen)
    • Weniger Verformungsbeschränkungen als die tief eingekerbten SENB- oder CT-Muster
    • Möglicherweise nicht auf der sicheren Seite (nicht konservativ), wenn sie für eine ungeeignete Anwendung ausgesucht werden

Bruchzähigkeitsuntersuchungsnormen (30:08)

  • ISO
    • ISO 12135 -  K, CTOD, J und R-Kurven (2016)
    • BS EN ISO 15653 -  Bruchzähigkeitsuntersuchungen an Schweißungen (2018)
  • ASTM
    • ASTM E1820 -  K, CTOD, J und R-Kurven plus Anhänge (2020)
    • ASTM E399 - Kic, Einzelpunkt-Zähigkeit in der unteren Zone (2020)
    • ASTM E1921 - Kj, T0, Master-Kurve (2019)  
  • BS 7448 - Metallische Werkstoffe
    • Teil 1 - Grundwerkstoff (1881 rev. 2002)
    • (Teil 2 - für Untersuchung von Schweißungen und Wärmeeinflusszonen, inzwischen veraltet und zurückgezogen - Großbritannien tendiert jetzt zur internationalen Harmonisierung mit ISO anstelle der Wartung und Entwicklung von BS 7448)
    • Teil 3 - dynamisch (2005)
    • Teil 4 - R-Kurven (1997 rev. 2001)
  • BS 8571 - SENT-Untersuchungen (2018)

Die Normen werden im englischsprachigen Webinar genauer erläutert, als hier in der Übersetzung auszugsweise wiedergeben wird.

   

Zusammenfassung:  Auswahl einer geeigneten Bruchzähigkeitsuntersuchungsnorm (54:45)

  • Die Untersuchungsnormen geben, wie oben erläutert, keine Hinweise darauf, wie die Daten genutzt werden können
  • ASTM E1820 gibt niedrigere CTOD-Werte als ISO 12135
  • ASTM E1820 wird oft bevorzugt, wenn nach ASME spezifizierte Werkstoffe oder nach ASME ausgelegte Konstruktionen eingesetzt werden
  • ASTM E1820  oder ASMT E1921 werden in der Nuklearindustrie bevorzugt
  • BS- oder ISO-Normen werden in Großbritannien und Europa bevorzugt, und durch die Öl- und Gasindustrie
  • SENT-Muster werden vor allem in der Pipeline-Industrie eingesetzt

TWIs Unterstützung bei Bruchzähigkeits-Untersuchungen (56:03)

  • TWI ist UKAS akkreditiert, um Bruchzähigkeitsuntersuchungen anhand von BS 7448, ISO 12135, BS EN ISO 15653, BS 8571 und ASTM E1820 durchzuführen
  • TWI kann Sie bei der Entwicklung von geeigneten Bruchzähigkeits­untersuchungs­program­men und bei der Interpretation der Ergebnisse beraten
  • TWI kann bruchmechanische Untersuchungen wie ECAs (Engineering Critical Assessments) durchführen und vertreibt die CrackWISE-Software, um die Untersuchung durchzuführen
  • Andere Bruchuntersuchungen, wie Kerbschlagbiegeproben nach Charpy, Riss-Stop-Grenzkurven (Crack-arrest curves), Zugproben, Untersuchungen unter Umgebungseinflüssen, dynamische Untersuchungen, Untersuchungen in Originalgröße …
  • Schadensanalye und gerichtliche Gutachten
  • … wir warten auf Ihre Anfrage

Fragen und Antworten (57:42)

Dr. Philippa Moore und Matthew Haslett  beantworteten abschließend 15 min lang die von den Webinarteilnehmern gestellten Fragen, die hier in der auszugsweisen Übersetzung nicht wiedergegeben sind. Sie können sich aber auch im Nachhinein jederzeit ein englischsprachiges E-Mail and die hier angegeben E-Mail-Adressen schicken:

Gibt es noch Fragen?

Screenshot courtesy of TWI Ltd.


Weitere Informationen

Für Unternehmen in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz stellt AluStir auf Anfrage gerne weitere Informationen zu TWIs Dienstleistungen und den Normen zur Bruchzähigkeits­unter­suchung zur Verfügung. Bitte kontaktieren Sie uns per Telefon (+49 6024 636 0123) oder E-Mail (stephan.kallee@alustir.com).