Fokus auf Materialermüdung – Eine Einführung in die Schwingfestigkeitsuntersuchungen am TWI
8:40 min, © TWI Ltd, 6. März 2012
Materialermüdung wird unter anderem oft als „die Belastbarkeit erschöpfen“ oder „das Erholungsvermögen überstrapazieren“ definiert. Es ist die Schädigung von Werkstoffen unter sich wiederholender (d.h. zyklischer) Belastung, oder in der Strukturintegrität „das Entstehen eines Risses oder mehrerer Risse als Resultat der sich wiederholenden Belastung mit Kräften, die einzeln nicht ausreichen würden, normales statisches Versagen auszulösen.“
Nicht ein Belastungszyklus, nicht nur Hunderte, nicht nur ein paar Tausend, sondern möglicherweise Millionen und Millionen von Belastungszyklen treten während der Lebensdauer einer Struktur auf. Beispiele gibt es in allen Gebieten des Ingenieurwesens: Kleine und große Bauteile unter statischer und dynamischer Belastung unterliegen der Materialermüdungsbelastung und haben dadurch eine Schwingfestigkeit.
Das Entstehen von Ermüdungsrissen kann unter Labor-Bedingungen gefahrlos beobachtet werden. Zum Beispiel an einem Balken aus einem Vierkantrohr in einer Vierpunktbiegeprobe. Der
Prüfstand belastet ihn mit einer zuvor eingestellten Last alle fünf Sekunden. Obwohl die Belastung bei Weitem innerhalb der elastischen Belastungsfähigkeit des Materials liegt, und die
(statische) Belastung mit Sicherheit ertragen werden kann führt die wiederholte Belastung schließlich zum Bruchversagen, und das in vielen Fällen an Schweißverbindungen. Weil der Bruch nach
zyklischer Belastung auftritt wird er als Ermüdungsbruch bezeichnet.
Die Ausleger von Baggern sind in den meisten Fällen große Schweißkonstruktionen. Die Einzelteile werden zuerst zusammengeheftet und dann mit einem Lichtbogen-Schweißverfahren miteinander verschweißt. Im Betrieb unterliegen sie einer großen Last, jedes Mal wenn die Schaufel in den Boden eindringt, was während des Betriebs eines Baggers recht oft vorkommt. Daher müssen die Konstruktion, das Schweißung und die Inspektion die Ermüdungsbelastung berücksichtigen.
Kleine, tragbare Teile wie Rolltreppenstufen können unter höchsten Belastungen im Labor untersucht werden, aber wenn das Bauteil wie eine Bohrinsel, eine Brücke, eine Pipeline oder ein
Flugzeugflügel groß und in dauerhaftem Betrieb ist, dann ist das unmöglich. Daher werden während der Konstruktion Daten zu der Schwingfestigkeit, der Korrosionsfestigkeit und der
Verschleißfestigkeit benötigt. Diese können durch Prüfstandtests einzelner geschweißter Verbindungen ermittelt werden.
Eine flache Platte mit angeschweißten Blechen auf beiden Seiten kann zum Beispiel mit einer einfachen Zugbelastung beaufschlagt werden. Die Längsnähte haben (unter statischer Belastung, d.h.
bezüglich der Kurzzeitfestigkeit) nur einen geringen Einfluss, aber sie stellen eine echte Beeinträchtigung der Zeitfestigkeit dar (die auch
Zeitschwingfestigkeit oder Betriebsfestigkeit genannt wird). Zuerst wird ein einfacher (pseudostatischer) Zugversuch durchgeführt: Nach der plastischen Verformung kommt es zu plastischer
Verformung und Einschnürung und schließlich zum duktilen Bruch bei einer Belastung in der Größe der Zugfestigkeit des Werkstoffes. Der Bruch hinterlässt ein charakteristisches, unregelmäßiges
Bruchbild an der Rissoberfläche.
Wenn ein ähnliches Prüfstück in einer Schwingfestigkeitsuntersuchung getestet wird, werden zyklische, dynamische Belastungen hydraulisch aufgebracht. Nach einer Anzahl von Belastungszyklen entsteht ein Ermüdungsriss am Ende der Schweißnaht. Dies geschieht bei einer Belastung, die deutlich unterhalb der plastischen Verformung liegt. In dem hier gezeigten Fall tritt der Ermüdungsriss wegen der Kerbwirkung und der lokalen Belastungskonzentration sowie aufgrund von kleinen Schweißnahtfehlern am Ende der Schweißnaht auf.
Das Risswachstum kann bei einem mit Aluminiumprüfstück in einer Schwingprüfmaschine beobachtet werden. Im Zeitraffer lässt sich das Risswachstum gut sehen. Das Prüfstück ist mit
einem beidseitig gekerbten Loch vorbereitetet, durch das es zu Spannungsspitzen kommt. Auf der polierten Oberfläche ist der sich fortpflanzende Riss gut sichtbar: Erst 10 mm, dann 30 mm bis hin
zum Ermüdungsbruch.
Unter Betriebsbedingungen sollte eine Struktur schon zu einem frühen Zeitpunkt auf Risse untersucht werden, insbesondere an Übergangsstellen von belasteten Bauteilen, wo sich der Querschnitt
stark ändert. Unter Baustellenbedingungen erschweren Rost, Schutz und Farbe die Untersuchung, die dadurch sehr zeitaufwendig werden kann. Wenn ein entstehender Riss nicht rechtzeitig entdeckt
wird, wird er (in den meisten Fällen) weiterwachsen, bis die Struktur der Belastung nicht mehr standhält und plötzlicher duktiler Bruch oder Sprödbruch eintritt. Die Oberflächen von Ermüdungsrisse haben ein typisches Bruchbild an der Rissoberfläche. Eine ebene (und in vielen Fällen bereits korrodierte)
Rissfläche am Ausgangspunkt und wohldefinierte Stufen, die während der letzten Belastungszyklen kurz vor dem letztendlichen Bruch entstanden sind.
In der Praxis gibt es oft einen gewissen Sicherheitsfaktor in sachgerecht ausgelegten Strukturen. Dadurch kann sich die Belastung in vielen Fällen umverteilen, und das Fortschreiten des Risses
wird dadurch verlangsamt oder angehalten. In diesen Fällen besteht zwar keine Gefahr des Kollabierens, aber die Steifheit der Struktur wird in Mitleidenschaft gezogen, in vielen Fällen bis auf
einen nicht-akzeptablen Wert. In Schwingfestigkeitsuntersuchungen kann quantitativ ermittelt werden, wie viele Zyklen einen Riss von einer bestimmten Größe hervorrufen.
Das kann graphisch in einem S-N-Diagramm dargestellt werden: Die Anzahl der Belastungszyklen N wird auf der horizontalen x-Achse aufgetragen, die Spannungsbeaufschlagung S wird
auf der vertikalen y-Achse aufgetragen. Doppellogarithmische Skalen werden eingesetzt mit, in diesem Fall, bis zu 10 Millionen Zyklen bei einer Belastung von bis zu 200N/mm². Wenn mehrere
Prüfstücke bei unterschiedlichen Belastungen geprüft werden, können die Ermüdungseigenschaften über eine Durchschnittsline ermittelt und visualisiert werden. Die voraussichtliche Lebensdauer
einer Schweißverbindung kann als eine Anzahl von Belastungszyklen bei einer erlaubten Belastung angegeben werden. Wenn der Belastungslevel steigt, kommt es zu einer Verkürzung der Lebensdauer
oder die Schweißnahtgestaltung muss entsprechend angepasst werden.
Unterschiedliche Schweißnahtgestaltung führt zu unterschiedlichen Schwingfestigkeiten. Beispielweise kommt es an Laternenpfählen zu einer Spannungskonzentration, die zu einem schwer
vorhersehbaren Ermüdungsverhalten führt.
Im ersten Teil des Videos wurden nur Fälle betrachtet, bei denen die Druck- und Zug-Belastung mit konstanter Amplitude in der gleichen Größenordnung lag. In der Praxis ist die Belastung aber oft
sehr unterschiedlich. Eine Brücke wird zum Beispiel sowohl von wenigen schweren Lastwagen als auch von vielen leichten Personenwagen belastet. Deshalb müssen Schweißverbindungen unter
variierender Belastung untersucht werden, wie z.B. bei der Untersuchung von Rennwagen auf computergesteuerten Prüfständen, die das tatsächliche Betriebsverhalten nachfahren. Die Bruchoberflächen
von Ermüdungsrissen unter Wechselbelastung zeigen oft halbkreisförmige Markierungen mit dem Mittelpunkt am Ausgangspunkt des Versagens.
Die Ermüdungseigenschaften von geschweißten Strukturen waren über 60 Jahre lang einer der Schwerpunkte, auf die sich das TWI fokussiert hat. Wer mehr wissen will, sollte die Experten am TWI
kontaktieren.
Für Unternehmen in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz stellt AluStir auf Anfrage gerne weitere Informationen zum Thema mechanisches Prüfen in Hochdruck-Wasserstoffumgebung zur Verfügung. Bitte kontaktieren Sie uns per Telefon (+49 6024 636 0123) oder E-Mail (stephan.kallee@alustir.com).