Kompliente Vorrichtungen für das Laserschweißen


Copyright BKLT Lasersystemtechnik GmbH, Rennbahnstraße 3, 83043 Bad Aibling, 1993
BKLT Anpressrolle [BKLT 93]

Kompliente Systeme können in Vorrichtungen für die Lasermaterialbearbeitung eingesetzt werden, um Toleranzen der Bauteile sowie Positionierungsungenauigkeiten des Strahlführungsroboters auszugleichen.

Als kompliente Systeme werden Einrichtungen bezeichnet, die bei der Montage Positionsfehler zwischen den Fügepartnern durch nachgiebiges Ausweichen in definierte Richtungen aufgrund der Kontaktkräfte ausgleichen. Der Begriff leitet sich vom englischen Wort compliance (Nachgiebigkeit) ab [SCHU 89,3]. In der Lasermaterialbearbeitung können sie für die mechanische relative Positionierung des Strahlwerkzeugs zu den Werkstücken und der Bauteile untereinander eingesetzt werden.

 

Synonym kann der Begriff Ausgleichsmechanismus verwendet werden, der strenggenommen nur die Nutzung mechanischer Wirkprinzipien beschreibt. Ein Mechanismus zum passiven Toleranzausgleich ist beispielsweise das RCC-System (remote center compliance), das durch mechanische Elemente aus Federstahl oder Elastomeren begrenzte Positionsfehler entlang einer bestimmten Ebene und Winkelunterschiede um einen festgelegten Drehpunkt ausgleichen kann [HESS 92,48].

Kompliente Spannvorrichtungen

Copyright BKLT Lasersystemtechnik GmbH, Rennbahnstraße 3, 83043 Bad Aibling, 1993
BKLT Nd:YAG Laser Picker [BKLT 93]

Kompliente Spannvorrichtungen haben mindestens einen unbestimmten Freiheitsgrad. Sie bestimmen das Werkstück kinematisch nicht und sind daher nicht identisch mit elastischen Spannvorrichtungen, die Werkstücke kinematisch bestimmt spannen, indem sie alle 6 Freiheitsgrade des zu spannenden Körpers binden. Im weitesten Sinne kann zwar jedes Spannen als elastisch bezeichnet werden, da jeder Körper federt, im engeren Sinne werden aber nur Spannungen, bei denen die Spannkraft ohne Rücksicht auf das Spannmaß unverändert bleibt, elastisch genannt [SCHR 69,63]. Bei elastischen Spannungen ist eine vergleichsweise geringe Kraft nötig, die vorzugsweise durch Federkraft, Saugluft, Druckluft, Drucköl oder Magnetkraft erzeugt wird.

 

Kompliente Systeme sind eine Untergruppe der Toleranzausgleichssysteme, zu denen auch sensorisch geregelte Systeme gezählt werden können, wie zum Beispiel das meist am Ende eines Roboterarms angebrachte RAA-System (remote axis admittance), das als ferngesteuerter Achsenausgleich beim Fügen von Teilen Feinbewegungen ausführt. Derartige Aktoren, Sensoren und Steuerungen werden strenggenommen nicht zu den komplienten Systemen gezählt [MILB 94,22].

Konzeptvorschläge

Ausgehend von handelsüblichen Konstruktionen werden hier zwei Konzeptvorschläge zur technischen Realisierung dieser Prinzipien vorgestellt:

  • Drahtseilfedern mit hoher Dämpfung können als Nachgiebigkeitselement unter der Spannvorrichtung oder zwischen der Spannvorrichtung und den Bauteilen angebracht werden.
  • Um Schwingungen der Spannvorrichtung oder des Roboters zu dämpfen, wird der Einsatz von Stoßdämpfern, die mit hochviskosen Elastomeren gefüllt sind, empfohlen. 
Durch Versuche zum Spannen von Hohlprofilproben und Realbauteilen durch kompliente Spannvorrichtungen soll die praktische Eignung und Wirtschaftlichkeit dieser Konzepte untersucht und mit dem Sensoreinsatz sowie der Anordnung der Komplienz im Bauteil oder Roboterhandgelenk verglichen werden.

Störgrößen bei der Lasermaterialbearbeitung

Bei Fertigungssystemen in der Lasermaterialbearbeitung resultieren aus den gleichen Eingangs- und Störgrößen immer die gleichen Ausgangsgrößen. Die Störgrößen sind jedoch nicht immer erfassbar und beeinflussbar, so dass die Ausgangsgrößen des Systems variieren können. Die Arten von Störgrößen in der Lasermaterialbearbeitung lassen sich in systembedingte, prozessbedingte und systemunabhängige Störgrößen einteilen [DIEP 89,13]:


Systembedingt

• Werkzeugfehler
• Fertigungsbedingte Fehler
• CNC-Steuerungsfehler
• Messsystemfehler
• Spannvorrichtungsfehler

Prozessbedingt

• Statische Kräfte
• Dynamische Kräfte
• Prozesswärme

Systemunabhängig

• Erschütterungen
• Temperaturschwankungen
• Werkstückfehler
• Programmfehler



  • Systembedingte Störgrößen sind abhängig von der Art und dem Zustand des eingesetzten Bearbeitungssystems und werden durch folgende Fehler erzeugt: Werkzeugfehler sind in der Lasermaterialbearbeitung vor allem Fehler des Strahlwerkzeugs, die durch Abweichungen bei der Strahlerzeugung oder Strahlführung hervorgerufen werden können. Fertigungsbedingte Fehler an Maschinenteilen führen zu einer Maschinenungenauigkeit. Steuerungsfehler, Fehler des maschineninternen Messsystems und Fehler der Spannvorrichtungen kommen unabhängig davon noch dazu.

  • Prozessbedingte Störgrößen entstehen durch die statischen und dynamischen Kräfte und Momente des Prozesses und des Prozessführungssystems, durch die Prozesswärme und durch den Verschleiß an den Maschinenteilen.

  • Systemunabhängige Störgrößen wirken von außen auf das Fertigungssystem ein. Insbesondere Umgebungseinflüsse - zum Beispiel Erschütterungen oder schwankende Umgebungstemperaturen -‚ Werkstückfehler sowie fehlerhafte Koordinaten im Programm sind hierfür die Ursache.
Die Störgrößen können über Sensoren direkt gemessen oder durch die Messung von Ausgangsgrößen indirekt erfasst werden, um Kompensationsmaßnahmen einzuleiten. Alternativ dazu kann der Fehlerausgleich in vielen Fällen aber auch passiv, d. h. komplient, erfolgen, wobei die Auswirkungen der Störgrößen direkt für deren Kompensation eingesetzt werden. Dadurch kann eine explizite Störgrößen- oder Störwirkungserfassung entfallen [DIEP 89,12].

Toleranzausgleich

Durch die Einführung komplienter Systeme kommt es zu einer Kompensation der Toleranzen: Positions- und Winkelabweichungen werden durch passive Nachgiebigkeit ausgeglichen. Die Toleranzkette setzt sich zusammen aus der Summe der Positionsabweichungen der Fügepartner, den Werkstücktoleranzen (Form- und Lagetoleranzen) und den Positionsfehlern des Montagesystems, die durch Wiederholgenauigkeit, Positioniergenauigkeit und Bahnabweichung des Roboters sowie durch die Spanngenauigkeit beeinflusst werden [LEIS 89,9].


Fügeprozess

Positioniergenauigkeit des Roboters

Bahnabweichung des Roboters

Wiederholgenauigkeit des Roboters

Fertigung

• Formtoleranzen

• Lagetoleranzen 

• Off-line-Programmierung statt Teach-in

Spannvorrichtung

• Spanngenauigkeit



Um Wirtschaftlichkeit und Prozesssicherheit bei der Fertigungsautomatisierung zu gewährleisten, sind beherrschbare und möglichst einfache Betriebsmittel zu verwenden. Kompliente Systeme erfüllen diese Aufgabe, weil sie es ermöglichen, Toleranzen auf einfache Weise auszugleichen und komplexe Bewegungsabläufe zu vereinfachen [MILB 94,26].


Um homogene Schnittfugen oder Schweißnähte mit guter Qualität zu erzielen, muss unter anderem die Streckenenergie während des Bearbeitungsvorganges konstant gehalten werden. Das erfordert im Bereich enger Radien Ausgleichsbewegungen des Strahlführungsroboters, die dessen kinematische und dynamische Fähigkeiten oft übersteigen. Durch eine gleichzeitige Bewegung von Strahlwerkzeug und Werkstück könnte die Komplexität der Roboterbewegung reduziert werden und möglicherweise die Bearbeitungsgeschwindigkeit gesteigert werden, indem durch die Werkstückbewegung Positionierfehler des Roboters ausglichen werden.


Durch kompliente Systeme kann der Toleranzbereich, in dem die Roboterbahn verlaufen muss, vergrößert werden [MILB 94,28]. Das bringt wesentliche Vorteile bei der Bahnprogrammierung: Um die Lasermaterialbearbeitungsanlagen durch CAD/CAM-Koppelung zeitoptimal zu nutzen, wird oft die Offline-Programmierung statt eines nebenzeitintensiven Teach-Vorganges eingesetzt. Die Offline-Programmierung ist aber in den meisten Fällen ohne sensorgestützte Korrektur der Bahnfehler des Roboters und der Geometrie- und Lageabweichungen des Werkstücks nicht möglich [GARN 92,32]. Kompliente Systeme können die hohen Investitionskosten für die Sensorik reduzieren oder vermeiden.


Die durch Komplienz mögliche Reduzierung von NC-Achsen spielt in der 3D-Lasermaterialbearbeitung momentan wegen der geforderten Zugänglichkeit eine nur untergeordnete Rolle. Eher geht der Trend in Richtung einer siebten Achse am Knickamroboter, entweder um diesen auf dem Boden linear zu verfahren oder um mit einer Drehachse am Handgelenk das Führen einer Andrückrolle zu erleichtern bzw. das Schneiden von Löchern zu vereinfachen. 

Methoden zum Toleranzausgleich

Toleranzabweichungen können auf vier unterschiedliche Arten ausgeglichen werden: aktiv, passiv, durch Fügestrategien und durch eine Kombination dieser Methoden:


Aktiv

• Optische Sensoren
• Kapazitive Sensoren
• Taktile Sensoren
• Pneumatische Sensoren

Passiv

• Nachgiebige Elemente
• Luftanströmung
• Vibration
• Magnettechnik
• Luftlagerung

Fügestrategien

• Translation und Rotation

• Translation und Kippung

• Translation und Kreisbewegung

Kombination

• Modulares, aktives Greifer-/Sensorsystem
• Axiales Ausgleichselement mit Näherungsschalter
• Kombination: passive Methoden + Fügestrategie


Nachgiebigkeit in der Spannvorrichtung

Nachgiebige Spannvorrichtungen werden in der Lasermaterialbearbeitung bisher noch selten eingesetzt. Aufgrund ihrer prinzipiellen Vorteile besteht hier ein signifikanter Forschungsbedarf. Die nachgiebige Spannvorrichtung kann zwei Aufgaben übernehmen: Zum einen kann sie die genaue Positionierung der Bauteile untereinander gewährleisten, indem durch die Spannkraft definierte Spaltdicken erzeugt werden, zum anderen kann sie zur relativen Positionierung der Bauteile in Bezug auf den Laserstrahl eingesetzt werden.

 

Die Nachgiebigkeitselemente können bei komplienten Spannvorrichtungen auf zwei unterschiedliche Arten angebracht werden:

  • Links im Bild liegt die Nachgiebigkeit zwischen dem Tisch und der eigentlichen Spannvorrichtung, mit der die Lage der Werkstücke zueinander definiert wird. Der Nachteil dieses Prinzips liegt darin, dass vergleichsweise große Trägheitskräfte beim Beschleunigen der Masse der Vorrichtung entstehen.
  • Rechts im Bild liegt die Nachgiebigkeit zwischen der Vorrichtung und den Werkstücken. Das ist wegen der geringeren Masse bei großen Bauteilen vorzuziehen, bei der  liegt. Die Vorrichtung spannt die Bauteile hier allerdings nur über die relativ kleinen elastischen Kräfte der Nachgiebigkeitselemente. Die Größe dieser Kräfte ist begrenzt, weil sie über die Andrückrollen auf den Roboter übertragen werden müssen. Daher ist in diesem Fall eine Klemmrolle voraussichtlich unerlässlich, um definierte Schweißspaltdicken zu erreichen.

Der Laserschweißkopf läuft in beiden Fällen entlang einer rigide geführten Bahn und drückt die Werkstücke über die obere Andrückrolle in die optimale Position. Durch die untere Klemmrolle können die Werkstücke zum einen an der Bearbeitungsstelle aufeinander gepresst werden, zum anderen können damit Zugkräfte des Roboters auf die Werkstücke übertragen werden. Um unterschiedliche Blechdicken zu bearbeiten und um die relative Lage der Bleche auszugleichen, müssen die Rollen auch gegeneinander verschiebbar sein, das heißt die untere Rolle muss gefedert werden.

Spannvorrichtungen mit Drahtseilfedern

Steelpaw SP10C-92-103-80, LxBxH 225 x 103 x 92 mm
Enidine Steelpaw SP10C-92-103-80 [ENID 93]

Von der Firma ITT -Control Technologies EMEA in Bad König werden Enidine Drahtseilfedern angeboten. Sie lassen bei niedriger Bauhöhe eine gleichzeitige Dämpfung in mehreren Richtungen zu. Sie zeichnen sich, weil sie aus rostfreiem Stahl gefertigt werden, durch Korrossionsbeständigkeit, Wartungsfreiheit und weitgehende Temperaturunempfindlichkeit aus. Während .bei herkömmlichen Drahtseilfedern die Seile über eine reibschlüssige Verbindung zwischen zwei Aluminiumstäben geklemmt wurden, werden sie bei Enidine mit einem temperaturstabilen Verguss formschlüssig in ein Vierkant-Stegrohr eingegossen.

Bei der Konstruktion von nachgiebigen Vorrichtungen kann ausgenutzt werden, dass Drahtseilfedem unterschiedliche Nachgiebigkeiten in Abhängigkeit von der Belastungsrichtung haben. Damit kann in der waagerechten Ebene die größte Nachgiebigkeit erzielt werden. Bei Druckbelastung in vertikaler Richtung liegt dabei eine um 40 % höhere durchschnittliche Federsteifigkeit c als bei Scher- und Verwindungsbelastung, hier in horizontaler Richtung, vor.

Kardanische Vorrichtung mit Rotationspuffern

Von der Firma Jarret werden Rotationspuffer angeboten, bei denen ein hochsviskoses Elastomer - im Bild weiß dargestellt - durch einen Spalt zwischen Rotor und Stator durchgepresst wird. Diese Puffer dienen ausschließlich der Dämpfung, weil keine Rückstellmomente erzeugt werden. Die Rückstellung muss daher bei diesem Konzept, wie hier gezeigt, durch die Schwerkraft oder durch eine Drehstabfeder erfolgen [JARR 92,8]. 

Literaturverzeichnis

  • [BKLT 93] Produktunterlagen der BKLT Lasersystemtechnik GmbH, Rennbahnstraße 3, 83043 Bad Aibling, 1993.
  • [DIEP 89] The van Diep: 'Ein Beitrag zur Kompensation von geometrischen Fehlern in flexibel automatisierten Fertigungssystemen.' Hanser Verlag, München, 1998. Münchner Stadtbücherei Gasteig 13 71243 0 00 5100 5 Wbl.
  • [ENID 93] Enidine GmbH: 'Industrie-Stoßdämpfer - Produktübersicht und Auswahl.' Enidine GmbH, Rheinauenstraße 5, 79415 Bad Bellingen, 1993.
  • [GARN 92] Florian Garnich: 'Bei Laser-Licht betrachtet - Schweißen und Schneiden mit Laserrobotern.' Roboter, Oktober 1992, S.32-34. TUM Bibliothek, ZLS MAS 940 ZB 3177.
  • [HESS 92] Stefan Hesse: 'Fügehilfen - Kunstgriffe der Montage.' Handling, Jan/Feb 1992, S. 48-49.
  • [JARR92] Jarret, Puffer und Federtechnik GmbH: 'Puffer und Federn - Anwendungen der hydrostatischen Kompression von Elastomeren.' Jarret, Feldstraße 36a, 46149 Oberhausen, c.a. 1992.
  • [LEIS 89] Ludwig M. Leiseder: 'Prismatische Spanntechnik.' Verlag Moderne Industrie, Landsberg, 1989, TUM-Bibliothek, 0001/89 A 3351.
  • [MILB 94] Joachim Milberg: 'Kompliente Systeme in der Montage.' Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben DFG MI 234/22-2.
  • [SCHR 69] Karl Schreyer: 'Werkstückspanner (Vorrichtungen).' Springer, Berlin, 1969. UB Stuttgart-Innenstadt Qa 98 LS 2M 654³.
  • [SCHU 89] Reinhard Schugmann: 'Entwicklung und Auslegung nachgiebiger Werkzeugaufhängungen für die automatische Montage.' Dissertation, TUM iwb, München 1989. TUM-Bibliothek 0001/DM 12983.