FSW-Geschichte

Historischer Rückblick auf die Erfindung und Entwicklung des Rührreibschweißens


Jubiläumsfeier "25 Jahre Rührreibschweißen" während des 11. Internationalen FSW-Symposiums 2016 am TWI in Great Abington: Peter Temple-Smith (links), Stephan Kallee (Mitte), Wayne Thomas (rechts).

Jubiläumsfeier "25 Jahre Rührreibschweißen" während des 11. Internationalen FSW-Symposiums 2016 am TWI in Great Abington: Peter Temple-Smith (links), Stephan Kallee (Mitte), Wayne Thomas (rechts).

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Das Reibrührschweißen wurde 1991 von Wayne Thomas am TWI (The Welding Institute) in Großbritannien erfunden und zum Patent angemeldet. Neuartig an dem von ihm erfundenen Verfahren ist, dass es die zum Reibschweißen erforderliche Wärme und die Durchbrechung der Oxidhäute durch ein sich drehendes verschleißfestes Werkzeug statt durch eine Relativbewegung der Werkstücke erzeugt. Mit einfachen Werkzeugen stellte Wayne Thomas zufriedenstellende Schweißnähte her und erkannte schnell, dass der werkstoffspezifischen Werkzeuggestaltung und Profilierung besonderes Augenmerk beizumessen sei.[1]

  

Wayne Thomas befasste sich zum Zeitpunkt seiner Erfindung intensiv mit dem "Third Body", dem plastifizierten Material bei den Reibschweißvarianten. Dabei fiel ihm auf, dass sich das plastifizierte Material nur halb so schnell wie das sich drehende Werkstück bewegt. Er wollte das plastifizierte Material gezielt zum Verbinden von Werkstücken nutzen, ähnlich wie in den 1940er Jahren Klopstock und Neelands, die er in seiner Patentanmeldung zitiert.[2]

    

 Beim Bau der ägyptischen Pyramiden bewegten sich die Rollen nur halb so schnell wie der Steinblock

Analogie: Beim Bau der ägyptischen Pyramiden bewegten sich die Rollen nur halb so schnell wie der Steinblock

©  AluStir

   


Jubiläumsfeier "25 Jahre Rührreibschweißen" während des 11. Internationalen FSW-Symposiums 2016 am TWI in Great Abington: Wayne Thomas (links), Murray Mahoney (Mitte), Dave Nicholas (rechts).

Jubiläumsfeier "25 Jahre Rührreibschweißen" während des 11. Internationalen FSW-Symposiums 2016 am TWI in Great Abington: Wayne Thomas (links), Murray Mahoney (Mitte), Dave Nicholas (rechts).

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In einem von einer Gruppe von etwa 25 Industriefirmen geförderten Verbundforschungsprojekt wurde das Verfahren unter der Projektleitung von Chris Dawes mit einer Vielzahl von ingenieurwissenschaftlich ausgewerteten Schweißversuchen von einem labortauglichen zu einem industrietauglichen Schweißverfahren entwickelt. Als er einen befreundeten Bauern dabei beraten sollte, ob er den Drehstrommotor eines Helix-förmigen Getreideförderers mit der Stern- oder Dreieckschaltung anschließen sollte, wies er ihn darauf hin, in jedem Fall auf die richtige Drehrichtung zu achten, weil sonst das Getreide nach unten anstatt nach oben gefördert würde. Dabei erkannte er, dass ein metrisches Gewinde eine pragmatische Lösung für das zuverlässige Schließen der Schlauchpore sei, die mit nicht-profilierten Werkzeugen häufig auftrat. Für seine Untersuchungen ließ er sich Werkzeuge mit metrischen Linksgewinden drehen, da sich die Drehrichtung der von ihm verwendeten Fräsmaschinen nicht ändern ließ.

    

Jubiläumsfeier "25 Jahre Friction Stir Welding" iwährend des 11. Internationalen FSW-Symposiums 2016 am TWI in Great Abington: Von rechts nach links: Chris Dawes, Phil Threadgill, Nathan Horrex, Stephan Kallee, Peter Temple-Smith, David Staines et al.

 Jubiläumsfeier "25 Jahre Rührreibschweißen" iwährend des 11. Internationalen FSW-Symposiums 2016 am TWI in Great Abington: Von rechts nach links: Chris Dawes, Phil Threadgill, Nathan Horrex, Stephan Kallee, Peter Temple-Smith, David Staines et al.

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Die Verwendung eines metrischen Gewindes auf dem Pin, einer konkaven Schulter und einer um 2,5° stechend geneigten Spindelachse führten zu sehr zufriedenstellenden Schweißergebnissen. Zusammen mit zwei Technikern untersuchte Chris Dawes zahlreiche Parameterkombinationen, um das für eine hohe Schweißnahtfestigkeit erforderliche Parameterfenster zu bestimmen. Die in seinen streng vertraulich behandelten Projektberichten beschriebenen Parameter wurden von den Projektteilnehmern weltweit mit unterschiedlichsten Maschinen reproduziert und führten zu nahezu identischen Festigkeitswerten. Die hohe Reproduzierbarkeit des Schweißverfahrens erwies sich als einer seiner größten Vorzüge.[3][4]

    

Reib- und Pressschweiß-Abteilung am TWI. Von links: David Staines, Dick Andrews, Chris Dawes, Wayne Thomas, Stephan Kallee, Tom Howes, Debbie Oglesby, Paul Rushmer, Koji Nezaki, Edward Watts, Dave Nicholas, Steve King und Peter Temple-Smith

Reib- und Pressschweiß-Abteilung am TWI. Von links: David Staines, Dick Andrews, Chris Dawes, Wayne Thomas, Stephan Kallee, Tom Howes, Debbie Oglesby, Paul Rushmer, Koji Nezaki, Edward Watts, Dave Nicholas, Steve King und Peter Temple-Smith

Courtesy of TWI Ltd.

    

Bei der 1998 in Cambridge veranstalteten Inalco-Konferenz wurden die industriellen Anwendungsmöglichkeiten offensichtlich, allerdings hatten sich die Projektteilnehmer bereits zuvor zu äußerster Verschwiegenheit bezüglich Werkzeugprofilierung, Parameterwahl und der Verfahrensspezifikation verpflichtet, so dass eine Wolke der Geheimhaltung zu langjährigen Wettbewerbsvorteilen der Projektteilnehmern führte.[5]

 

Erstes FSW-Symposium im Rockwell Science Center in Thousand Oaks, Kalifornien
Erstes FSW-Symposium im Rockwell Science Center in Thousand Oaks, Kalifornien

Erstes FSW-Symposium im Rockwell Science Center in Thousand Oaks, Kalifornien

Courtesy of TWI Ltd

    

Beim ersten Internationalen Friction Stir Welding Symposium, das im Rockwell Science Center in Kalifornien abgehalten wurde, berichteten viele der 140 Konferenzteilnehmer begeistert über die Entwicklung des Verfahrens in der Industrie und Forschung. Insbesondere der Technologieexperte der Firma Boeing, Doug Waldron, der in einem großen Auftritt mit dem Hubschrauber vor dem Konferenzzentrum gelandet war, sprach von den Erfolgen und Kosteneinsparungen, die sein Unternehmen mit dem Rührreibschweißen erzielte, woraufhin das Verfahren gemeinhin als für gut befunden galt.[6]

 

Erstes FSW-Symposium im Rockwell Science Center in Thousand Oaks, Kalifornien
Erstes FSW-Symposium im Rockwell Science Center in Thousand Oaks, Kalifornien

Erstes FSW-Symposium im Rockwell Science Center in Thousand Oaks, Kalifornien

Courtesy of TWI Ltd

   

 Da das Verfahren durch zwei Patente des TWI patentrechtlich geschützt war, konnte es während der Laufzeit des Patents nur von Lizenznehmern legal eingesetzt werden. 2007 hatte TWI bereits 171 Unternehmen und Universitäten, die Lizenzgebühren an das TWI abführten, für die Nutzung des patentierten Verfahrens lizenziert. Viele dieser Lizenznehmer meldeten eigene Patente an, sowohl um ihre eigenen Entwicklungen zu schützen als auch um die Monopolstellung des TWI zu schwächen. Im sogenannten Ringfencing wurde durch die Patente ein ringförmiger Zaun um das ursprüngliche Patent errichtet, der die Weiterentwicklung und Anwendung des Verfahrens in einigen Bereichen erschweren sollte.

 

 

Fünftes FSW-Symposium in Metz, Frankreich, 14.-16. September 2004 

Courtesy of TWI Ltd

 

Das 5. Internationale FSW-Symposium zog 186 Teilnehmer an, ein Rekord für diese Veranstaltung, bei der 61 Vorträge gehalten wurden. Die Delegierten kamen aus 23 Ländern, darunter sogar aus Neuseeland und Australien, Südafrika, Brasilien und zum ersten Mal China, sowie starke Delegationen aus Nordamerika, Europa und Japan.[8]

   

TWIs FSW-Lizenznehmer: Im September 2007 gab es 172 Lizenznehmer[9]

Courtesy of TWI Ltd
    

Anzahl der dem TWI bekannten Pa­tent­anmeldungen dritter Parteien[9]

Courtesy of TWI Ltd
    


Die Patentsituation hatte vielerorts aber keinen Nachteil für die wissenschaftliche Erforschung und Entwicklung des Verfahrens, obwohl in einigen Ländern, insbesondere Deutschland, keine staatlichen Fördergelder für die Erforschung von patentierten Prozessen bereitgestellt wurden. Es kam daraufhin weltweit zu teilweise bahnbrechenden Forschungsarbeiten und zu einer Flut von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die nach wie vor anhält.

 

Der industrielle Einsatz ging Hand in Hand mit der dafür erforderlichen Entwicklung von Rührreibschweißmaschinen. Die größten wirtschaftlichen Vorteile erzielten die Unternehmen, die sich durch die Anwendung des Rührreibschweißverfahrens ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen konnten, z.B. durch die Wertsteigerung beim Verkauf von Aluminiumpaneelen statt Strangpressprofilen. In einigen Fällen wurde der Zeitaufwand bei der Vorbereitung und beim passgenauen Einspannen der Bauteile wohl unterschätzt, z.B. beim Rührreibschweißen von dreidimensionalen Flugzeugteilen, für das sich nach wie vor das Nieten als ausgereiftes Produktionsverfahren bewährt. Bei mehreren Großprojekten, wie z.B. dem Schweißmaschinenbau für Forschungsinstitute und die Raketenindustrie, führte der kapitalintensive Bau von Schweißmaschinen und Spannvorrichtungen zu wirtschaftlichen Herausforderungen, insbesondere wenn es nach der Lieferung von Spezialmaschinen keine Folgeaufträge gab, in denen sich die gewonnene Erfahrung hätte nutzen lassen. Die größten technologischen Vorteile erzielen bisher diejenigen, die das Rührreibschweißverfahren für Materialmischver­bindungen oder, insbesondere in der Luft- und Raumfahrt, für Leichtbaulegierungen einsetzen, die mit konventionellen Schmelzschweißverfahren nicht schweißbar sind.[7]

 

Bei der kumulativen Bewertung von Schweißnahtlänge mal Stückzahl ist das Rührreibschweißen bei den Herstellern von Kühlkörpern und Wärmetauschern besonders beliebt. Dabei werden Aluminiumbleche mit Gussteilen oder Strangpressprofilen verschweißt, wobei der geringe Verzug und ein guter Wärmeübergang besonders vorteilhaft sind. Der Trend geht zurzeit insbesondere bei den Fahrzeugherstellern dahin, die Fertigungstiefe zu verringern, und sich reibrührgeschweißte Produkte von den Aluminiumherstellern bzw. auf das Rührreibschweißen spezialisierten Auftragsfertigern herstellen zu lassen. Die im Schiffbau, Brückenbau und Schienenfahrzeugbau eingesetzten FSW Paneele und die in der Automobilindustrie beliebten rührreibgeschweißten Batteriekästen für Elektroautos sind typische Beispiele. 

 

    

Quellennachweise

  1. Wayne M. Thomas, E. Dave Nicholas, James C. Needham, Michael G. Murch, Peter Temple-Smith und Christopher J. Dawes (The Welding Institute): Improvements relating to friction welding. Europäische Patentschrift EP 0 615 480 B1, Anmeldedatum 6. Dezember 1991.
       

  2. Hans Klopstock und Abraham Rupert Neelands: An improved method of joining or welding metals. Patente GB 572789 (A)  und US 2399356A erhielten. 
       

  3. O. T. Midling, E. J. Morley und A. Sandvik (Norsk Hydro, Rechte ans TWI übertragen): Friction stir welding. Europäische Patentschrift EP 0 752 926 B1. 5. Januar 1995.
       

  4. Wayne M. Thomas, E. Dave Nicholas, Christopher J. Dawes, Peter Temple-Smith und Stephan W. Kallee (The Welding Institute): Friction Stir Welding. Britische Patentanmeldung GB2306366. 7. Mai 1997.
       

  5. Martin H. Ogle, Phil L. Threadgill und Steve J. Maddox: Joints in Aluminium - INALCO '98: Seventh International Conference. Woodhead Publishing, 1999.
       
  6. 1st International Symposium on Friction Stir Welding (1ISFSW), Thousand Oaks, Kalifornien, 14. – 16. Juni 1999.
        
  7. Daniela Lohwasser und Zhan Chen: Friction Stir Welding: From Basics to Applications. Insbesondere S. 118-119.
       
  8. 5th International Symposium on Friction Stir Welding (5IFSWS), Metz, France, 14-16 September 2004.
       
  9. Iain J Smith and Daniel D R Lord: Friction Stir Welding patents - a stirring story.
       
  10. Doug J. Waldron, R.W. Roberts, Chris J. Dawes, and Peter J. Tubby. Friction Stir Welding—A Revolutionary New Joining Method.  SAE Transactions 107 (1998), Vol. 107, Section 1: JOURNAL OF AEROSPACE (1998), pp. 1247-1252 (6 pages). Accessed (free of charge after enrolling) 29 January 2021. doi:10.2307/44735856.