DVS-Merkblätter zum FSW

Das technische Regelwerk des Deutschen Verbands für Schweißen und verwandte Verfahren zum Thema Rührreibschweißen

Der Deutsche Verband für Schweißen und verwandte Verfahren (DVS) hat nach langem Zögern inzwischen drei DVS-Merkblätter zum Thema Rührreibschweißen (Friction Stir Welding, FSW) veröffentlicht.

 

Da es sich beim Rührreibschweißen anfangs um einen patentrechtlich geschützten Prozess handelte, verweigerten einflussreiche DVS-Mitglieder für viele Jahre die Vergabe von staatlichen Forschungsgeldern für die Erforschung und Weiterentwicklung des Rührreibschweißens, so dass nur wenige vom DVS betreute FSW-Projekte in Deutschland durchgeführt werden konnten.

 

Inzwischen hat sich Situation durch die Schaffung des von DVS und DIN betreuten Gemeinschaftsausschusses AG V 11.2 / NA 092-00-27 AA „Rührreibschweißen” verbessert. Dieser hat unter der Obmannschaft von Dipl.-Ing. Heinrich Masny und Dr.-Ing. Axel Meyer bereits folgende Merkblätter veröffentlicht, die im DVS-Regelwerksportal von DVS-Mitgliedern kostenlos als pdf-Datei heruntergeladen werden können:

    


Rührreibschweißen und seine Anforderungen an die Betriebsanlagen - Merkblatt DVS 3701 (02/2016)

Das Reibrührschweißwerkzeug besteht aus Schulter und Schweißstift und hat folgende Aufgaben:
  • Es generiert durch Reibung und Scherung des Werkstückmaterials Wärme
       
  • Es speichert einen Teil des plastifizierten Werkstückmaterials zwischen Werkzeugschulter und Stoßoberfläche und presst es in die Fügezone
       
  • Es führt durch Verrühren der Oxidhäute und des plastifzierten Werkstückmaterials zum stoffschlüssigen Verbinden der Fügepartner
Die grundlegenden Anforderungen an die FSW-Maschinen, wie beispielsweise die Kinematik, der Kraft- und Leistungsbedarf, die Steuerungstechnik sowie die Anforderungen an die Maschinenstruktur, werden in dem Merkblatt erläutert. Es gibt dem Anwender eine Hilfestellung bei der Auswahl der Maschinen durch einen Vergleich von für das Rührreibschweißverfahren geeigneten Anlagen. Dabei haben die Anforderungen an die Maschinensteifigkeit, Regelungstechnik und Flexibilität einen Einfluss auf die Investitionskosten.
   
Die FSW-Anlagen können in vier Kategorien gruppiert werden:
  • Anlagen, die speziell zum Rührreibschweißen entwickelt wurden und daher mit einer integrierten Positions- und Kraftregelung sowie mit einem System zur Erfassung und Verarbeitung der Prozessdaten ausgestattet sind.
       
  • Handelsübliche Bearbeitungszentren (BAZ), die meist durch ein Kraftmess- und Kraftregelungssystem und gelegentlich durch eine Spindelkühlung speziell für das Rührreibschweißen modifiziert werden.
       
  • Knickarmroboter, die zwar eine hohe Flexibilität bezüglich der dreidimensionalen Werkzeugführung haben, aber die erforderlichen Prozesskräfte aufgrund ihrer relativ geringen Steifigkeit nur in einem eingeschränkten Bereich ihres Arbeitsraums aufbringen können.
       
  • Roboteranlagen mit Parallelkinematik, die zwar höheren Steifigkeitsanforderungen genügen, aber trotz höherer Anschaffungskosten eine geringere Flexibilität als Knickarmroboter haben.

Einsatz der konduktiven Unterstützung beim Rührreibschweißen - Merkblatt DVS 3702 (07/2018)

Beim konduktiv unterstützten Rührreibschweißen wird die Wärme nicht nur durch Reibung sondern durch eine zusätzliche Stromquelle erzeugt. Die durch den elektrischen Strom zusätzlich zur Reibwärme eingebrachte Widerstandserwärmung kann zur Kraft- oder Drehzahlabsenkung oder zur Erhöhung der Schweißgeschwindigkeit genutzt werden. Das Verfahren wird bisher vor allem zum konduktiv unterstützten Rührreibschweißen von Aluminium und Stahl erprobt.
  
Dafür wird mit eine handelsübliche, für den Dauerbetrieb beim Widerstandsschweißen ausgelegte, wassergekühlte Mittelfrequenz-Stromquelle eingesetzt. Obwohl aus Sicherheitsgründen normalerweise nur eine Spannung von weniger als 10 Volt angelegt wird, fließt ein hoher Strom von 2 bis 3 kA.

      

Da der für die Widerstandserwärmung erforderliche, sehr hohe Strom nicht durch die Spindellagerung fließen soll, um eine Beschädigung der Lager zu vermeiden, ist ein Schleifring und eine galvanische Trennung erforderlich, d.h. in der Spindelachse wird oberhalb des FSW-Werkzeugs und oberhalb des Schleifrings eine elektrische Isolierung aus Kunststoff oder Keramik eingebaut. Der Strom wird mit Kontaktbürsten in den Schleifring übertragen.  
   

Beispiel eines Schleifrings eines Gleich­strom­generators mit vier Bürstenpaaren

Beispiel eines Schleifrings eines Gleich­strom­generators mit vier Bürstenpaaren
 © David Gubler, CC BY-NC-SA 2.5 CH, et al


Wenn Graphit, Schmiermittel oder Quecksilber im Schleifring eingesetzt werden, ist auf eine zuverlässige Einkapselung zu achten, um die Verschmutzung der Schweißnaht und den Austritt von gesundheitsgefährdenden Dämpfen zu vermeiden. 

   

Das Merkblatt beschreibt, leider ohne Skizze, den notwendigen maschinellen Aufbau einer geeigneten Anlagentechnik, die wesentlichen Schweißparameter, Anforderungen an das Rührreibschweißwerkzeug und die Schweißprozessführung.

 

Obwohl das Merkblatt einem potentiellen Anwender der konduktiv unterstützten Rührreibschweißtechnik als Hilfe bei der Auswahl einer geeigneten Stromquelle und Schweißparameter dienen soll, sind darin bisher leider keine Zahlenangaben über die zu verwendende Spannung aufgeführt. Es wird nur erwähnt, dass „wassergekühlte Kleinvolt-Stromquellen aus dem Bereich Widerstandsschweißtechnik“ verwendet werden können.

 

Kritische Anmerkung zur missverständlichen Terminologie der „konduktiven Unterstützung beim Rührreibschweißen“

Der Begriff des konduktiv unterstützten Rührreibschweißens“ hat bisher nur eine geringe Verbreitung gefunden, auch weil damit nicht klar beschrieben wird, ob es sich um elektrische Leitung oder Wärmeleitung handelt.

   

Am Rande sei daher als Diskussionsanregung angemerkt, dass in der englischsprachigen Nomenklatur ein Begriff wie „resistance stir welding“ möglich wäre, der im Deutschen mit „Widerstandsrührschweißen“ übersetzt werden könnte, was aber bisher weder im Englischen noch im Deutschen üblich ist. Aus historischen Gründen wurde das Rührreibschweißverfahren nämlich als eine Untergruppe der Reibschweißverfahren klassifiziert, und daher hat sich der wörtlich aus dem Englischen übersetzte und anfänglich weit verbreitete Begriff „Reibrührschweißen“ nicht durchgesetzt, obwohl denkbar ist, dass noch weitere „Rührschweißverfahren“ entwickelt werden.

   

Reduzierung der Axialkraft beim FSW durch Skalierung von Schulter- und Stiftdurchmesser -Merkblatt DVS 3703 (06/2020)

Das wichtigste Funktionselement des Rührreibschweißens ist das rotierende, profilierte Werkzeug, das die zu fügenden Werkstücke durch Reibungswärme kontinuierlich plastifiziert und gleichzeitig einen komplexen Materialfluss in vertikaler und horizontaler Richtung erzeugt. Um unterhalb des Schmelzpunkts zu schweißen, sind meist hohe Prozesskräfte erforderlich. Die hohen Prozesskräfte erfordern eine prozessgerechte Konstruktion der Werkzeuge, der zu fügenden Bauteile und der verwendeten Spann- und Stützvorrichtungen.
  
Die hohen Prozesskräfte werden oft durch eine zumeist empirische Werkzeugauslegung verursacht. Dadurch sind die Rührreibschweißwerkzeuge oft überdimensioniert, was zu Einschränkungen hinsichtlich der Zugänglichkeit führt. Wenn die Werkzeuge aus hochfesten Werkstoffen hergestellt werden und ihre Geometrie durch die im Merkblatt beschriebene Methodik zur Axialkraftminimierung angepasst wird, kann die Axialkraft beim kraftgeregelten Rührreibschweißen von Aluminium um bis zu 70% reduziert werden.
  
Das DVS-Merkblatt gibt dem Anwender erste Hilfestellungen bei der Auswahl einer auf die Reduzierung der Prozesskräfte geeigneten Werkzeuggeometrie und stellt Richtwerte für die Vorabeinstellung der erforderlichen Drehzahlen und Axialkräfte zur Verfügung. Es enthält unter anderem Formeln zur Berechnung der Drehzahl von für die Axialkraftminimierung ausgelegten Rührreibschweißwerkzeugen.
  
Im Merkblatt werden bisher zur Vereinfachung leider nur zylindrische Stifte gezeigt. Auf die Konturierung von Schweißstift und Schulter und die Kontaktfläche zwischen Werkzeug und Werkstück wird nur in einem Satz hingewiesen, obwohl sich bei der industriellen Anwendung des axialkraftreduzierten Rührreibschweißens eine aufwendige Profilierung von Stift und Schulter als vorteilhaft erweist.
  
Die Schweißnahtqualität hängt unter anderem von der Streckenergie ab. Die axialkraftminimierte Anpassung der Werkzeuggeometrie und der FSW-Prozessvariablen sind daher mit größter Sorgfalt durchzuführen. Trotz kleinerer Stift- und Schulterdurchmesser sollen unter Beibehaltung der Flächenpressung ähnliche Verbindungseigenschaften wie mit konventionellen Werkzeugen erzielt werden.

 

Allerdings kann eine Reduzierung der Werkzeugdimensionen zu kleineren Toleranzfeldern und einer kürzeren Lebensdauer des Rührreibschweißwerkzeuges führen.

 

Zwischen den Zeilen heißt das in der Praxis:

  • Die Durchmesser und die Profilierung der Werkzeuge müssen optimiert werden
       
  • Dafür müssen die Werkzeuge aus höherwertigen, hochfesten Werkstoffen hergestellt werden
       
  • Die anwendungsspezifischen Verfahrensparameter müssen ingenieur­wissen­schaft­lich oder zumindest fachgerecht ermittelt und geregelt werden
       
  • Die Werkzeuge müssen häufiger gewechselt werden
       
  • Die Oberflächen der Werkstücke müssen zum kraftreduzierten Reibrührschweißen oxid- und ölfrei gereinigt werden
       
  • Die Werkstücke müssen möglichst spaltfrei eingespannt werden und dürfen sich während des Prozesses nicht unvorhergesehen verformen

Verbesserungsvorschläge

 

Es handelt sich um ein sinnvolles und leicht verständliches Merkblatt. Allerdings sollte, Bild 5 bitte überarbeitet werden: Hier sollte bitte ein Schnittbild mit Kühlkanal und vor allem mit dem 1 mm dicken (nicht 1 mm "breiten") Blech gezeigt werden. Heutzutage sind FSW-Werkzeuge mit konischem profiliertem Stift üblich. Für diesen Anwendungsfall (1 mm dickes Blech) werden in der Industrie heutzutage sehr viel schlankere Werkzeuge und Stege eingesetzt.

  

Siehe auch

Weblinks